Rund die Hälfte aller Wildtiere und Wildpflanzen, die in der Schweiz vorkommen, können sich in besiedeltem Gebiet behaupten. Um dieses erstaunliche Potenzial zu fördern, genügen oft simple Massnahmen. Auch auf kleinem Raum - sei es im Garten, auf dem Balkon oder auf dem Dach.
Grün- und Freiräume unter Druck
Die Zersiedlung der Landschaft gilt als einer der Haupt-gründe für den Rückgang der Biodiversität in der Schweiz. Hinzu kommen der Verlust, die Verbauung so-wie die intensive Nutzung von Böden und Gewässern, ausserdem übermässige Stickstoff- und Pflanzenschutz-mittel-Einträge.
Als Mittel gegen die Zersiedelung der Landschaft hat die Schweizer Raumplanung festgelegt, dass sich Siedlungen nach innen entwickeln sollen. Das heisst: Bereits bebaute Gebiete sind zu verdichten. Die Ver-dichtung der Städte, Agglomerationen und Dörfer be-wirkt jedoch einen starken Druck auf die bestehenden Grün- und Freiräume: Immer mehr Menschen nutzen diese immer kleiner werdenden Flächen. Das kann sich negativ auf die Lebensqualität der Menschen und Wild-tiere auswirken. Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ist deshalb heute wichtiger denn je. Zu berücksichtigen sind dabei sowohl die Bedürfnisse der Bevölkerung nach genügend und qualitativ hochwertigen Grün- und Freiräumen als auch die Biodiversität.
In Städten und Agglomerationen gibt es Lebensräume, die in der benachbarten Kulturlandschaft selten geworden sind: zum Beispiel vielfältige Blumenwiesen oder Ruderalflächen (karge Kiesflächen mit Spontanvegetation), oftmals in einem kleinräumigen Mosaik. Dies kann zu einer hohen Biodiversität führen, wenn Grün- und Freiräume entsprechend ökologisch geplant, bepflanzt und unterhalten werden. Gärten können dazu einen wichtigen Beitrag leisten
Etwa 45 Prozent aller in der Schweiz vorkommenden Wildpflanzen können auch in Siedlungsgebieten wachsen. In der Stadt Bern konnten beispielsweise 1’575 Pflanzenarten nachgewiesen werden, die sich selbstständig vermehren, zudem 345 Moos-, 110 Flechten und rund 1’700 Pilzarten.
Eine weitere Gruppe sind die ehemaligen Felsenbrüter. Sie haben die Felswände mit den Strassenschluchten von Städten ausgetauscht und nisten mehrheitlich in Nistkästen an hohen Gebäuden oder in Dachhohlräumen. Zu ihnen gehören die Mauersegler und Alpensegler. Ebenfalls in Gebäudespalten oder Estrichen nisten der Hausrotschwanz, die Felsendenhohlräumen.
Städte und grössere Siedlungsräume sind, unabhängig vom Klimawandel, sogenannte Hitzeinseln: Die vielen versiegelten Flächen und Gebäude wärmen sich an Sommertagen stark auf und geben diese Hitze in der Nacht ab. Davon profitieren mediterrane Arten, die nördlich der Alpen nur in Siedlungsgebieten vorkommen: etwa die Weissrandfledermaus oder die südliche Eichenschrecke.
In verschiedenen Lebensraumtypen wie Gärten, Parkanlagen, grünen Wohnumgebungen, Schul- und Sportanlagen mit Grünflächen sowie begrünten Innenhöfen, die mosaikartig auf engem Raum vorkommen, fühlt sich zum Beispiel der Igel wohl. Und wenn es genügend Bäume hat, finden sich dort auch ehemalige Waldtiere wie das Eichhörnchen, die Amsel, der Kleiber und verschiedene Meisen- und Spechtarten.
Ein reichhaltiges, naturnahes Blütenangebot in Gärten, auf Balkonen und Terrassen sowie auf begrünten Flachdächern machen Siedlungsgebiete auch für viele blütenbesuchende Insekten attraktiv, etwa für Wildbienen. Inzwischen finden sie hier oft ein besseres – und vor allem während der ganzen Vegetationsperiode vorhandenes – Pollen- und Nektarangebot als auf intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen.
Naturnahe Gärten und öffentliche Grünanlagen sind besonders wertvolle Lebensrauminseln im Siedlungsgebiet: Werden sie gezielt im Hinblick auf eine hohe Artenvielfalt angelegt und gepflegt, können sie Hunderte Tier- und Pflanzenarten beherbergen.
Mehr Effekt durch Vernetzung - und dunkle Nächte
Ein oft vergessener Faktor ist das künstliche Licht in der Nacht: Viele Pflanzen- und Tierarten reagieren empfindlich auf Licht. Sie werden von künstlichem Licht angezogen und damit in ihrem natürlichen Verhalten gestört; das betrifft beispielsweise viele Insekten. Oder sie weichen künstlichem Licht aus und können hell erleuchtete Gebiete nicht nutzen. Ein Beispiel dafür sind gewisse Fledermausarten, die in beleuchteten Gewässerabschnitten nicht jagen.
Der Garten als Erlebnisort
Naturnahe Gärten sind eigentliche Erlebnisräume: Sie sind für die Erfahrung und das Beobachten von Natur besonders wertvoll. Naturerlebnisse helfen Kindern wie Erwachsenen dabei, tieferes Verständnis und Gespür für die Zusammenhänge und Abläufe in der Natur zu entwickeln.
Naturnahe Gärten können ganz unterschiedliche Gestalt annehmen: Die einen mögen es eher wild, andere schätzen etwas mehr Ordnung. Alles ist möglich, sofern ein paar Grundsätze eingehalten werden, damit sich eine Vielfalt an Lebewesen einfindet: der Verzicht auf versiegelte Wege und Plätze etwa – und auf chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel. Gezielt geförderte Nützlinge gehen Blattlaus und Co. an den Kragen; einheimische, standortangepasste Pflanzen ermöglichen vielen Wildtieren eine gute Nahrungsgrundlage; Ast-, Stein- oder Laubhaufen bieten Tieren Unterschlupf, Schlafplätze und Rückzugsorte.
Quellen und Links