Mauerbienen sind Teil der grossen Vielfalt einheimischer Wildbienen. Sie zählen zur Gruppe der Bauchsammlerbienen: Den gesammelten Blütenpollen transportieren sie nicht als Pollenhöschen an den Hinterbeinen, sondern an einer Bauchbürste aus langen Haaren auf der Unterseite des Hinterleibs. Nahrungssuchende Weibchen von Mauerbienen und nahe verwandten Bauchsammlerinnen sind gut an der weissen, gelben oder rötlich-violetten Pollenladung am Bauch zu erkennen.
Abgesehen von der markanten Bauchbürste kommen die verschiedenen Mauerbienenarten in sehr unterschiedlicher Form, Grösse und Farbe daher. Die meisten Mauerbienen sind ungefähr so gross wie eine Honigbiene oder etwas kleiner, haben einen gedrungenen Körperbau und sind bienentypisch stark behaart. Die Behaarung und die Haarfarbe sind von Art zu Art verschieden. Einige Mauerbienen haben einen metallisch glänzenden Körper.
Mauerbienen und andere Bienenarten haben sich voll und ganz auf den Blütenbesuch spezialisiert. Entsprechend lassen sich Mauerbienen am besten beim Blütenbesuch beobachten. Sie versorgen sich selbst und ihre Nachkommen ausschliesslich mit Pollen und Nektar – und fliegen dafür unzählige Blumen an. Wo Wildbienen geeigneten Lebensraum finden, geht ein grosser Teil der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen auf ihr Konto. Diese Leistung wurde gegenüber jener der Honigbiene lange Zeit stark unterschätzt. Da die allermeisten Blütenpflanzen von Bestäubung profitieren und sich ohne diese Dienstleistung teilweise gar nicht vermehren könnten, sind Mauerbienen & Co. für funktionierende Ökosysteme unverzichtbar.
Neben der Honigbiene sind aus der Schweiz beeindruckende 631 Arten von Wildbienen bekannt. Davon gehören 47 Arten im engeren Sinn zu den Mauerbienen (Gattungen Osmia, Hoplitis und Protosmia). Mauerbienen kommen von den tiefsten Lagen bis hoch in die Alpen auf weit über 2’000 Metern vor.
Um die Bestände zahlreicher Arten steht es nach aktuellem Wissen nicht gut. In der Schweiz stehen 45 Prozent der Wildbienenarten auf der Roten Liste; weitere 10 Prozent sind nahezu bedroht. Gut ein Zehntel der ursprünglich heimischen Arten ist schweizweit bereits vollständig ausgestorben. Zurückzuführen ist dies auf den Verlust geeigneter Lebensräume mit ausreichendem Blütenangebot und geeigneten Niststrukturen. Besonders im intensiv genutzten Landwirtschaftsgebiet des Mittellandes und in den Tälern der Bergregionen hat die Bienenvielfalt drastisch abgenommen. Ein erfreulicher Lichtblick hingegen ist, dass einige gefährdete Arten auch in naturfreundlich gestalteten Grünräumen im Siedlungsgebiet vorkommen und dort gefördert werden können.
Eine soziale Lebensweise, wie sie von Honigbienen oder Hummeln bekannt ist, stellt die Ausnahme unter den Bienen dar. Mauerbienen leben wie die grosse Mehrheit aller Wildbienen als Einzelgängerinnen. Jedes Weibchen kümmert sich um sein eigenes Nest, und abgesehen von der Paarung oder freundlicher Nachbarschaft steht es in keiner engeren Verbindung mit Artgenossen.
Die ausgewachsenen Bienen sind typischerweise nur während rund zwei Monaten im Jahr aktiv; jede Art zu einer bestimmten Flugzeit. Manche sind nur im Frühling zu finden, andere erst im Früh- oder Spätsommer. Ausserhalb der Flugzeit entwickelt sich die nächste Generation im Nest.
Die Flugsaison beginnt jeweils mit dem Erscheinen der Männchen. Sie schlüpfen einige Tage vor den Weibchen aus den Nestern, um diese draussen zu empfangen, in der Hoffnung auf eine erfolgreiche Paarung. Die Männchen sterben nach wenigen Wochen, und die verpaarten Weibchen kümmern sich daraufhin allein um den Nestbau und die Versorgung der Nachkommen.
Im Zentrum des Bienenlebens steht der Nistplatz. Obwohl ihr Name dies vermuten lässt, mauern die Mauerbienen beim Nestbau nicht zwangsläufig. Zwar nisten einige Arten an oder in Mauern und verwenden für den Bau der Nester oder einzelner Brutzellen einen Mörtel aus Erde, Steinchen oder zerkautem Blattmaterial. Im Allgemeinen sind die Nistgewohnheiten der Mauerbienen jedoch ausgesprochen vielfältig. Sie nisten im Totholz in bereits vorhandenen Käferlöchern oder selbst genagten Gängen, in hohlen oder markhaltigen Pflanzenstängeln, in Mörtelbauten an Steinoberflächen, in selbst gegrabenen Gängen im Boden, in Fels-, Mauer- und Erdspalten, versteckt unter Steinen oder Grasbüscheln – und in einigen Fällen sogar in leeren Schneckengehäusen. Je grösser die Vielfalt solcher Kleinstrukturen, desto mehr Arten fühlen sich in einem Lebensraum potenziell wohl.
Um die Nachkommen im Nest mit Pollen und Nektar zu versorgen, braucht es in der Umgebung ein breites Nahrungsangebot. Die Mauerbienenarten sind zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr aktiv: Daher ist ein möglichst kontinuierliches Blütenangebot essenziell, vom Frühling bis im Spätsommer. Ein beträchtlicher Anteil der Arten zählt zudem zu den Nahrungsspezialistinnen, die nur den Pollen einer bestimmten Pflanzenfamilie oder -gattung sammeln. Eine grosse Vielfalt an Nahrungspflanzen bildet also die Grundlage für artenreiche Bienengemeinschaften inklusive der wählerischen Spezialistinnen.
Auch wenn Bienen sprichwörtlich mit viel Fleiss am Werk sind, freuen sie sich über möglichst kurze Arbeitswege. 100 bis 300 Meter zwischen Nistplatz und Nahrungsquelle bewältigen die meisten Wildbienen gut. Bei längeren Wegstrecken wirkt sich der zusätzliche Zeit- und Energieaufwand messbar negativ auf den Bruterfolg aus. Grundsätzlich gilt: je näher, desto besser.
Bis im Sommer sollte immer irgendwo etwas blühen: Das ist ein wichtiger Leitgedanke zur Förderung einer Vielfalt an Mauerbienen und anderen Blütenbesucherinnen. Das grösste Potenzial besteht darin, das Blütenangebot von Juni bis August zu verbessern. Was dabei hilft: Blumenrasen, Wiesen und Krautsäume gestaffelt mähen; Blumenbeete oder Blumentöpfe mit sommerblühenden Wildstauden bepflanzen; Ruderalflächen oder Sumpfbeete anlegen, die im Sommer noch reich an Blumen sind. Zu den besonders wertvollen Pollenquellen für die Spezialistinnen unter den Mauerbienen zählen Korbblütler, Schmetterlingsblütler, Kreuzblütler, Glockenblumen und Natternkopf – allesamt auch von unspezialisierten Arten gern besucht.
Damit die Mauerbienen vom Nahrungsangebot profitieren, brauchen sie nahe davon einen geeigneten Nistplatz. Wichtig für alle Typen von Niststrukturen ist ein Platz an der Sonne, da viel Wärme zur erfolgreichen Entwicklung der Bienenbrut beiträgt.
Mit verschiedenen Strukturen – verteilt auf mehrere Standorte – entsteht eine Auswahl, und verschiedene Arten finden einen Platz, der ihren Bedürfnissen entspricht. Gut verteilte Nistplätze werden zudem weniger schnell von Parasiten und Räubern entdeckt. Die Mauerbienen freuen sich über jede zusätzliche Totholzstruktur oder Nisthilfe mit Bohrlöchern sowie hohlen und markhaltigen Pflanzenstängeln. Besonders lohnt sich, auf lückig bewachsene Bodenstellen im Garten zu achten, diese zu erhalten oder sogar aktiv zu fördern. Unter den Mauerbienen gibt es zwar nur wenige Bodennisterinnen, unter den Wildbienen insgesamt sind aber ganze zwei Drittel der Arten auf solch offene Bodenstellen angewiesen. Im bienenfreundlichen Garten ist Mut zur Lücke gefragt!
Auch wenn ein einzelner Standort kaum die Bedürfnisse sämtlicher Arten abzudecken vermag: Im Zusammenspiel mit benachbarten Flächen leistet jeder wilde Garten, jeder naturnah gepflegte Grünraum und jeder bepflanzte Blumentopf auf dem Balkon einen wertvollen Beitrag – und verbessert das Lebensraum-Netzwerk für Mauerbienen & Co.